Bei der Möbelrestaurierung kommt man nicht umhin, fehlende Substanz zu ersetzen und störende Gebrauchsspuren zu beseitigen. Dies sollte aber so behutsam wie möglich geschehen, und nicht jede Gebrauchsspur oder Alterserscheinung muss zwangsläufig eliminiert werden.
Die Vorstellung vom makellos restaurierten historischen Möbel führte in der Vergangenheit (und viel zu oft auch heute noch) zu Überrestaurierungen, die die Originalität des Möbels zerstören und
den Wert mindern.
Gerade hier beginnt das Problem. Denn die Möbel um die es hier geht sind keine Ausstellungsstücke, es sind vor allem Gebrauchsgegenstände, die eine bestimmte Funktion erfüllen sollen.
Türen, Klappen und Schubkästen müssen leicht zu öffnen und zu schließen sein, was sich oft nur durch einen Eingriff in die Originalsubstanz erreichen läßt. Ein Brandfleck in einer Tischplatte
kann nicht als historische Alterungsspur hingenommen werden, auch hier ist in der Regel ein stärkerer Eingriff nötig. Doch es kommt darauf an, wie ein Restaurator mit dieser Problematik umgeht.
Der Eingriff sollte in jedem Fall so gering wie möglich und nur so stark wie unbedingt nötig sein.
Diese Herangehensweise ist viel schwieriger und aufwendiger als ein respektloses Vorgehen, das oft schneller zu einem Ergebnis führen würde. Bei jeder einzelnen Maßnahme ist es also notwendig,
verschiedene Faktoren abzuwägen: Das zu erzielende Ergebnis, den Arbeitsaufwand, den notwendigen Eingriff sowie die Erhaltung der Originalsubstanz.
Als Restaurator habe ich es mit unersetzlichen Originalen zu tun und trage daher eine hohe Verantwortung. Die oberste Prämisse meiner Arbeit ist der Respekt vor der vorhandenen Substanz eines Objekts.
In früheren Zeiten wurden oft bedenkenlos großflächige Ergänzungen an der Holzsubstanz vorgenommen. Farbige Fassungen wurden entfernt oder übermalt und gealterte Oberflächenüberzüge routinemäßig
entfernt.
Seit den 1980-er Jahren hat sich in der modernen Restaurierungspraxis eine gewissenhaftere Einstellung gegenüber der Originalsubstanz durchgesetzt. Die originale Substanz wird nun als hohes Gut
angesehen und ihrer Erhaltung wird oberste Priorität eingeräumt.